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DVR-Beschluss Medizinisches Cannabis im Straßenverkehr

Beschluss vom 08. November 2017 auf der Basis einer Empfehlung des Vorstandsausschusses Verkehrsmedizin

Deutscher Verkehrssicherheitsrat – 2017


Erläuterung

Seit März 2017 können sich Patientinnen und Patienten Cannabisblüten und daraus hergestellte Extrakte auf Betäubungsmittelrezept ärztlicherseits verschreiben lassen. Grundsätzlich dürfen sie am Straßenverkehr teilnehmen, soweit sie nach Aufnahme der cannabisbasierten Medikamente noch in der Lage sind, ein Fahrzeug im Straßenverkehr sicher zu führen. Treten während der Fahrt Ausfallerscheinungen auf, die auf die Einwirkung dieser Medikamente zurückführbar sind, droht ihnen Strafbarkeit nach § 316 des Strafgesetzbuchs (StGB). Zu einer Beeinträchtigung der Fahrsicherheit kann es insbesondere in der Einstellungs- und Eingewöhnungsphase, bei einer Anpassung der Dosierung, nach zu hoher Dosierung oder bei Beigebrauch von anderen zentral wirksamen Substanzen einschließlich Alkohol kommen. Dabei ist zu beachten, dass verschiedene Drogenmaterialien angeboten werden, die sich in ihren Inhaltsstoffen, vor allem dem Gehalt an THC1 bzw. CBD2, zum Teil erheblich unterscheiden.

Die Aufnahme der Cannabisblüten kann durch Inhalation (Rauchen oder Verwendung eines Vaporisierers) bzw. oral (als Tee, Gebäck usw.) erfolgen. Eine optimale Verordnung bedarf daher spezieller medizinischer Expertise. Als problematisch erweist sich hierbei, dass Cannabisblüten, die lose von den Apotheken auf Rezept abgegeben werden, über keinen Beipackzettel verfügen und von den Patienten und Patientinnen selbst in zum Teil Kleinstmengen von unter 0,1 Gramm dosiert werden müssen. Das Rezept muss daher eindeutige Angaben u.a. zu dem Drogenmaterial, zu der Darreichungsform und zu den Einzel- und Tagesdosen enthalten.

Von den Cannabispatientinnen und -patienten wird ein hohes Maß an Zuverlässigkeit und Verantwortlichkeit (Compliance) im Umgang mit der Medikation und bei Auftreten von Nebenwirkungen erwartet. Wenn das THC im Blut einer Kraftfahrzeugführerin/eines Kraftfahrzeugführers aus einer bestimmungsgemäßen Einnahme eines für den konkreten Krankheitsfall verschriebenen cannabisbasierten Arzneimittels herrührt, kommt es nicht zu Sanktionierungen gemäß § 24a Absatz 2 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG); bei missbräuchlicher Einnahme derartiger Arzneimittel droht hingegen nicht nur eine Sanktionierung nach dem StVG, sondern zusätzlich eine Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 14 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV).

Es ist nicht einfach, zu bestimmen, welchen Einfluss der Gebrauch von medizinischem Cannabis auf das Fahrvermögen hat. Die im Blut festgestellte THC-Konzentration korreliert oft nur wenig mit dem Grad der messbaren Beeinflussung. Auch lässt die THC-Konzentration im Blut keine sicheren Rückschlüsse auf die Menge an THC zu, die geraucht wurde4. Dies führt dazu, dass es sehr schwierig ist, die Fahreignung und die Fahrsicherheit unter der Therapie mit cannabisbasierten Medikamenten sachgerecht zu beurteilen. Diskrepanzen zwischen der für Cannabispatientinnen und -patienten geltenden neuen Rechtslage zum Führen eines Kraftfahrzeugs (unter der Wirkung von THC) und der polizeilichen Praxis bei Straßenverkehrskontrollen sind zumindest bisher nicht bekannt4.


1Tetrahydrocannabinol (zu ca. 22 % medizinischen Cannabisblüten enthalten)
2Cannabidiol
3Studie Düsseldorf - Fahrradfahren unter Cannabis (Int. J Legal Med (2016) 130:711-721)
4Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE (BT-Drucksache 18/11701 vom 27. März 2017)

Beschluss

Es soll zu diesem Thema verstärkte Öffentlichkeitsarbeit stattfinden mit folgenden Informationen:

  • Die Ärzte, die medizinisches Cannabis verordnen, müssen ihre Patientinnen und Patienten über die möglichen Beeinträchtigungen bei der Teilnahme am Straßenverkehr aufklären. Insbesondere sollten sie ihnen zu Beginn der Therapie vom Führen eines Fahrzeuges solange abraten, bis die psychotropen und andere unerwünschte Nebenwirkungen nicht mehr auftreten und sie trotz Krankheit fahrsicher sind. Auch ist auf Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und insbesondere auch geringen Mengen an Alkohol hinzuweisen.
  • Patientinnen und Patienten müssen auch selber über ihre Fahrtüchtigkeit entscheiden. Sie werden im Straßenverkehr genauso behandelt wie andere Patienten, die unter einer Dauermedikation stehen bzw. die ein psychoaktives Arzneimittel verordnet bekommen haben.
  • Patientinnen und Patienten sollten eine ärztliche Bescheinigung über ihre Therapie mit cannabisbasierten Medikamenten bzw. eine Kopie des aktuellen Rezeptes über medizinisches Cannabis mit sich führen.
  • Polizistinnen und Polizisten sollten bei einem Anfangsverdacht des Verstoßes gegen das StVG (§ 24a (2)) in Erwägung ziehen, dass Fahrzeug Führende Cannabis auch wegen einer medizinisch-indizierten Medikation eingenommen haben könnten. Zu prüfen wäre dann, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es zu einer nicht bestimmungsgemäßen Einnahme kam.

gez.
Dr. Walter Eichendorf
Präsident

 

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